Historischer Teil

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Lange schien es so, als würde der so lange ersehnte Prinz niemals mehr vorbeikommen, um das Dornröschen im Schloss wach zu küssen. Nach der Blütezeit des vom 15. bis Anfang des 20. Jahrhunderts als Grafen- und Fürstensitz dienenden, vermutlich auf den Mauern einer staufischen Burg errichteten Bauwerks war das Schloss nach dem Brand 1939 und der anschließenden Wiederherstellung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Multifunktionsgebäude genutzt worden. Wegen Leerstand, bröckelndem Putz, undichtem Dach und kaputten Fenstern war es danach zunehmend dem Verfall ausgeliefert. Viele nicht realisierte Ideen gab es seitens der Investoren, die sich dort eine Seniorenresidenz, ein Ärztehaus oder ein Bürohaus für Freiberufler vorstellen konnten. Der Anstoß für die Idee, das Gebäude wieder der ursprünglichen Bedeutung zuzuführen, als Sitz der Verwaltung und soziale Mitte der Stadt, kam zunächst von außen.

Als neues Zentrum für die Verantwortlichen der Stadt und die Verwaltung sowie als sozialer Treffpunkt für Spiele, Feste und Veranstaltungen wurde das Schloss im übertragenen Sinne aus heutiger Sicht für seine ursprüngliche Funktion wiederhergerichtet, nachdem die Familie Bruch das Gebäude 2012 erworben und mit der Entkernung die aufwendige Restaurierung eingeleitet hatte. Die Stadt Wächtersbach erwarb schließlich 2016 das gesamte Schlossareal für 2,8 Millionen Euro, um in Absprache mit dem Denkmalschutzamt und den Architekten der Vorbesitzer das Werk zu vollenden. Bis zur endgültigen Fertigstellung werden die Gesamtkosten auf rund 10 Millionen Euro geschätzt. Doch bis es zur Wiederbelebung des Schlosses kam, hatten das Gebäude und die Bürger Wächtersbachs eine lange Durststrecke zu überwinden. Von der wechselhaften Geschichte eines Bauwerkes, das nach so langer Zeit nun eine erneute Blüte erlebt, soll dieser Beitrag einen Abriss in komprimierter Form geben. Das Gebäude selber hat sicher sehr viel mehr zu erzählen, wenn man die Informationen, die man aus dem alten Gemäuer ablesen kann, zu deuten weiß.

Bürgermeister Andreas Weiher erläutert für einen Beitrag im Hessischen Rundfunk anhand des Mauerausschnitts die verschiedenen Epochen der Entstehung.Bürgermeister Andreas Weiher erläutert für einen Beitrag im Hessischen Rundfunk anhand des Mauerausschnitts die verschiedenen Epochen der Entstehung.Einer dieser Deuter ist der Kunsthistoriker Pascal Heß, der sich im Auftrag der Stadt Wächtersbach bei den Recherchen für eine Ausstellung zur Entstehungsgeschichte des Schlosses in guter alter Tradition des Wächtersbacher Historikers Dr. Jürgen Ackermann sowie einer Reihe von Heimatforschern, für die stellvertretend Gerhard Jahn und Otto Fiegler genannt werden sollen, so intensiv mit der Geschichte des Schlosses, seinem Erscheinungsbild und seinen vielen Um- und Anbauten beschäftigt hat, bis Steine, Mauern und Winkel zumindest einen Teil ihrer Geheimnisse preisgegeben haben. Vieles, was wir heute aus gesicherten Quellen belegt wissen, ist das Ergebnis dieses akribischen Forschens. Schon Art und Formen der verwendeten Steine können Auskunft über die Entstehungszeit des Bauwerkes geben. Bei einer sorgfältigen Untersuchung des Kellergeschosses im Zuge der Renovierung ist man auf charakteristische Mauerreste gestoßen, die auf eine Entstehung zu Kaiser Barbarossas Zeiten hinweisen könnten. Eine Rekonstruktion des mittelalterlichen Erdgeschossgrundrisses zeigt eine viereckige, trapezförmig erbaute staufische Anlage mit einem größeren und einem kleineren Gebäude und einer doppelten Ringmauer. Eine im Zuge der Restaurierung absichtlich unverputzt gelassene Wandfläche im Erdgeschoss zeigt die ehemalige Außenfassade des romanischen Hauptgebäudes. Nur die untersten Steinlagen stammen noch aus dem 13. Jahrhundert. Die quadratische Nische liegt in einer später vermauerten Tür. Von ihr ist rechts noch das Gewände und unten die Türschwelle zu sehen.